Wenn die letzten Notenständer aufgestellt werden und die ersten Zuschauer ankommen, liegt es in der Luft: das Abenteuer. Nervosität vermischt sich mit Vorfreude, wie für eine grosse Reise ist alles gut geprobt und geplant und doch bleibt alles ungewiss und aufregend. Bis in die hintersten Reihen füllt sich die Fehraltorfer Kirche an diesem Sonntagnachmittag, und schon geht’s los. Der erste Ton schreibt das erste Kapitel einer spannenden Abenteuergeschichte.
Barock und Tango
Mit „Barocco“ eröffnen die rund 30 Spielenden des AKKORDEUS unter der Leitung von Pierrette Hohl das Konzert. Ebenfalls im Barock-Stil gehalten ist das zweite Stück, „The Kepler Theme“, von Hans Boll komponiert für einen Johannes Kepler-Gedenkanlass. Mal locker leicht, mal streng rhythmisch und erhaben versetzt einen die Musik ins 17. Jahrhundert und ins Universum des Mathematikers und Astronomen Kepler. Von den barocken Planetenumlaufbahnen führt das Abenteuer weiter zu den humoristisch-vergnüglichen „Spielereien“ des Jugendensembles und katapultiert AKKORDEUS mit „Inmortal“ dann in die Moderne und nach Argentinien, zum Tango Nuevo. Die Hommage an Astor Piazzolla ist ein Feuerwerk aus Melodie und Melancholie, Rhythmus und Leidenschaft.
Mit der Konzertanten Suite von Helmut Degen, einer Originalkomposition für Akkordeon, folgt ein Abstecher ins unwegsame Gelände der zeitgenössischen Musik. Auch auf dieses Abenteuer lässt sich das Akkordeon-Ensemble, nun dirigiert von Daniel Studer, immer wieder gerne ein. Für Spieler und Zuhörer eine lohnende Herausforderung. Dank nuancierter Interpretation und der richtigen Mischung aus Ehrgeiz und Spielfreude wird das komplexe Werk zu einer echten Entdeckung.
Akkordeon und Blockflöte
Zu entdecken gibt es bei diesem Konzert noch viel. An einem Ausschnitt aus Telemanns Tafelmusik zeigt eine kleinere AKKORDEUS-Formation, wie erfolgreich sich auch Original-Kammermusik des Barock im Akkordeon-Ensemble spielen lässt. Mit einem weiteren Stück Tafelmusik, diesmal von H. I. F. von Biber, geht die Entdeckungsreise weiter, mit an Bord eine neue Begegnung: SONUS. Akkordeon und Blockflöte, eine eher ungewöhnliche Kombination. Aber wer schon früher AKKORDEUS-Konzerte gehört hat, weiss, dass man sich hier immer wieder Neues und Überraschendes einfallen lässt. Diesmal also ist das SONUS-BlockflötenEnsemble bei den Akkordeonspielern zu Gast. Ein überaus gelungenes Experiment, die beiden Instrumente harmonieren in der Tafelmusik-Sonate und auch bei Bachs „Badinerie“ perfekt.
Nach einer kurzen Pause stellt SONUS die erstaunlichen Möglichkeiten und das breite Klangspektrum eines oftmals etwas unterschätzten Instruments unter Beweis. Einer ganzen Instrumentenfamilie muss man sagen, denn von der Vogelpfeife bis zur Subkontrabass-Blockflöte ist alles zu hören. Nach einem virtuosen türkischen Hummelflug geht’s mit einem Satz aus van der Roosts „I Continenti“ zurück nach Südamerika. Klänge von faszinierender Bildhaftigkeit, welche die Zuhörer in dichte Urwälder und weite Landschaften entführen.
Harmonie und Duell
Akkordeontöne schlagen dann die Brücke vom Regenwald zum Grossstadt-Dschungel. Die „New York Overture“ ist ein Spaziergang durch die Metropole, von Harlem über den Central Park bis zur Freiheitsstatue, das Akkordeon Ensemble Uster öffnet ein weiteres akustisches Fotoalbum. Die harmonische Begegnung von Blockflöte und Akkordeon, von Barock und Moderne wird mit einem Western-Duell als Zugabe abgeschlossen: Morricone-Evergreens wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ bringen einen Hauch spannungsgeladener Prärieluft nach Fehraltorf.
Unter grossem Applaus geht das Abenteuer zu Ende, auf das sich Publikum und Musiker gemeinsam eingelassen haben. Das Waschen von musikalischen Goldstücken, Tauchen nach Schweissperlen und Ausgraben von Melodiejuwelen hat zu magischen Entdeckungen geführt, die noch lange nachklingen. Während das begeisterte Publikum plaudernd in die Novembernacht verschwindet, die Kirchenglocken schlagen und die letzten Notenständer zusammengeklappt werden, hört man plötzlich noch ein anderes Geräusch, ganz leise. Es ist das nächste musikalische Abenteuer, das an die Hintertür klopft. Herein! Der neue Probenplan liegt zwischen den Konzertnoten, AKKORDEUS bleibt in Abenteuerlaune.